Wenn die Zeit für den Spass fehlt

Unser Leben ist bestimmt durch Polaritäten: Leben und Tod, Licht und Schatten, Yin und Yang. Ich möchte hier aufzeigen, wie man Polaritäten nutzen kann, um die Perspektive zu erweitern und Resonanz zu erreichen.

In einem Coaching meinte der Coachee, ein erfahrener Business Unit Leiter, er habe einfach zu wenig Zeit, um mehr strategisch zu denken und sich seinen direct reports richtig widmen zu können. Es fühle sich an, dass er nur noch „funktioniere“ und jeden Tag sozusagen durchgetaktet sei. Im weiteren Gespräch ergab sich, dass er sehr pflichtbewusst war. 

Ich fragte, welchen Anteil denn der Spass habe gegenüber der Pflicht. Er meinte schnell: „Nein, nein, meine Arbeit macht schon viel Spass“. Ich wartete…, es entstand eine längere Pause, betretenes Schweigen  ̶  bis er sich räusperte und meinte: „Leider 80% Pflicht und 20% Spass.“ 

Darauf meine Frage: „Und was wäre, wenn Sie sich mehr dem strategischen Denken und ihren direct reports widmen könnten?“ Er überlegte kurz und meinte: „Was mir am meisten Spass macht: durch gute Gespräche und Lektüre Neues dazulernen und mich mit meinen direct reports und Kollegen persönlich auszutauschen und verbunden zu fühlen.“

Er wolle sich auf das nächste Treffen hin überlegen, wie er im Pflichtteil mehr Spass und auch Sinn hineinbringen könne. Zum Beispiel wolle er bei den vielen Sitzungen mehr Diskussionen mit echten Problemstellungen ermöglichen und weniger Zeit für die gegenseitige Information aufwenden. Und er wolle mehr Spaziergänge unternehmen mit Kollegen/-innen und dort den Austausch pflegen.

Pflichtbewusstsein und Spassorientierung sind zwei Gegensätze, die sich komplementär ergänzen. Friedemann Schulz von Thun hat in seinem Wertequadrat darauf hingewiesen, dass jede Tugend eine Schwestertugend besitzt und beide Werte auch ins Negative übertrieben werden können: Grosszügigkeit kann zur Verschwendung werden und Sparsamkeit zum Geiz. 

Zu unserem Coachee: Wird das Pflichtbewusstsein übertrieben, dann wird dies zur Zwanghaftigkeit, alles vollständig und richtig machen zu müssen und allen gerecht zu werden. Übertriebene Spassorientierung wiederum kann als pflichtvergessen, nachlässig, faul bis hin zu egoistisch wahrgenommen werden. 

Beim Umgang mit Wertepolaritäten hilft es, Übertreibungen zu erkennen und eine stimmige Balance zu erreichen. Aber nicht nur quantitativ, sondern wie hier im Coaching auch qualitativ, in der der BU-Leiter einen neuen Gestaltungsraum fand. Jede Tugend hat mindestens eine Schwestertugend. Diese zu erkennen und zu integrieren, erweitert die Perspektive. Es entsteht Resonanz – mit einer neuen Ganzheit.

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